Breite, aktive Bürgerbeteiligung, das hat allein schon der Vorschlag für einen Seniorenbeirat gezeigt, ist für leitende Beamte in der Verwaltung und auch einige Ortsvorsteher ein rotes Tuch. Unsere Bürgerbeteiligungs-satzung, darüber habe ich schon einige Mal geschrieben, erfüllt gerade einmal die Minimalanforderungen der Kommunalverfassung des Landes. Aber, liebe Leute, Bürgerbeteiligung ist vor allem dann erfolgreich, wenn die Bürger auch wirklich beteiligt sind. Es genügt nicht, alle vier Jahre die Einwohner der Gemeinde zur Wahlurne zu rufen. Niemand will den gewählten Gremien ihrer Autorität und Verantwortung berauben. Im Gegenteil, mit Vorschlägen und Ideen mehr Sicherheit und vielleicht Substanz für ihre Entscheidungen geben, das ist im Sinne der Bürger.
Direkte Demokratie ist das Stichwort und überall vom
Bodensee bis zur Insel Rügen werden nun Bürgerräte ausgelost, die genau das machen. Nun werden wieder
einige Bürger im Sinne der Verwaltung und des Althergebrachten sagen, Moreike
treibt wieder ein neues Schwein durch Ahrensfelde. Neu, das stimmt, doch es
geht hier um Bürger, die sich in der Gemeinde engagieren und die gewählten
Volksvertreter beraten.
Was also sind Bürgerräte? Das Besondere
an Bürgerräten ist, dass die Teilnehmer zufällig aus der Bevölkerung ausgelost werden.
Akademiker sitzen dort neben Handwerker, Senioren neben Jugendlichen, Alteingesessene
Ahrensfelder neben Zugewanderten. Die Teilnehmenden eines Bürgerrates werden per Losverfahren aus
dem Einwohnermelderegister der Gemeinde ermittelt.
Die Ausgelosten werden angeschrieben und eingeladen, sich für eine Teilnahme am
anstehenden Bürgerrat zu bewerben. Dabei machen die Bewerber Angaben, die aus
den Einwohnermelderegistern nicht hervorgehen, z.B. zum Bildungsabschluss oder einem
Migrationshintergrund. Anhand dieser Angaben und den bereits vorhandenen Daten zu
Geschlecht, Alter und Wohnort wird eine Gruppe gebildet, die in ihrer
Zusammensetzung ein möglichst gutes Abbild unserer Bevölkerung darstellt. So ist
z.B. jeder Bürgerrat zur Hälfte mit Frauen besetzt. Eventuell anfallende
Kosten der Teilnehmenden werden übernommen.
Ihre
Aufgabe ist es, gemeinsam Lösungen für politische Probleme vorzuschlagen. Diese
Empfehlungen werden der Gemeindevertretung zur Beratung vorgelegt. Welche Umwelt,
welche Dienstleistungen, welchen öffentlichen Nahverkehr und welche
Arbeitsplätze brauchen wir in Ahrensfelde. Diese und viele andere Themen können
in einem Bürgerrat diskutiert werden. So ein Bürgerrat wird also zu bestimmten größeren Problemen,
die die Zukunft Ahrensfelde bestimmen, gebildet.
Während des Bürgerrates
erhalten die Teilnehmenden von Experten Informationen zum jeweiligen Thema. In
kleinen Workshops diskutieren die Ausgelosten über das Gehörte und formulieren
Fragen und Ideen. Die ehrlichen und ergebnisoffenen Diskussionen werden
professionell moderiert. Am Ende entwickeln die Bürgerrat-Mitglieder gemeinsam
Handlungsempfehlungen. Die in einem Bürgergutachten zusammengefassten Empfehlungen
des Bürgerrates werden der Gemeindevertretung übergeben. Die Empfehlungen des
Bürgerrates werden im Gemeindeparlament behandelt. Dort wird über die Annahme,
veränderte Übernahme oder Ablehnung der Bürgerrat-Vorschläge entschieden.
Die vielfältige
Zusammensetzung der Bürgerräte ist dabei deren besondere Stärke. Untersuchungen zeigen,
dass eine Gruppe ganz unterschiedlicher Bürgerinnen und Bürger zu besseren
Lösungen kommt als sogar ein gewählter Gemeinderat. Unterschiedliche Lebens-
und Ausbildungswege führen zu unterschiedlichen Perspektiven, die alle in einem
Bürgerrat zusammengeführt werden. Themen werden so aus verschiedenen
Blickwinkeln breiter betrachtet. So entstehen Lösungen
aus der Basis unterschiedlicher Erfahrungswerte und Lebensumstände
Da Bürgerrat-Mitglieder
nicht gewählt werden und somit kein Mandat aus der Bevölkerung haben, sind ihre Empfehlungen formal unverbindlich. Nichtsdestotrotz werden die Empfehlungen
solcher Losversammlungen nicht selten bei politischen Entscheidungen von Gemeindevertretungen
berücksichtigt. Auch ist es möglich, Bürgerräte
mit den verbindlichen Verfahren direkter Demokratie zu verknüpfen und allen Bürgerinnen und
Bürgern die Möglichkeit zu geben, über Bürgerrat-Empfehlungen in einem Bürgerentscheid
abzustimmen.
Denn direkte Demokratie
heißt, wie ich es verstehen, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen. Bürgerräte
sind, wie geschrieben, eine weitere, moderne und effektive Form der
Mitbestimmung der Bürger und von mir dazu der Vorschlag, nur einmal darüber
nachzudenken. Vielleicht als guter Vorsatz für 2023.
In diesem Sinne ein friedvolles,
gesundes, erlebnisreiches und Erfolg erfülltes neues Jahr.
Hartmut Moreike
P.S. Das ist der 500.
Beitrag im Blog der Ahrensfelder Unabhängigen. Dazu gab es 3.128 Kommentare und
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